Fotografierverbote an Kitas und Schulen
Kultusministerium
cc: Landesdatenschutzbeauftragte
cc: Bundesdatenschutzbeauftragter
November 2019
Fotografierverbote an Kitas und Schulen
Sehr geehrte Minister/Ministerin,
mit Ende der Ferien-/Urlaubszeit und Beginn des neuen Schuljahres haben sich aufgeregte Pressemeldungen und Medienberichte zu Fotografierverboten wegen Datenschutz an
Schulen und in Kitas gehäuft. Dabei war zum Teil festzustellen, dass sich die Kita- und Schulleiter/-innen entweder mit dem Thema allein gelassen fühlten oder auf Informationen von Bildungsministerien zurückgegriffen haben, denen einige Landesdatenschutzbeauftragte
öffentlich widersprochen haben. Daher möchten wir als Photoindustrie-Verband im Interesse all derer, die rechtskonform auf fotografischem Wege Erinnerungen festhalten wollen, an Sie appellieren, Ihre Position zu Fotografierverboten und zum Datenschutz freiheitlich und
bürgernah zu gestalten und mit Ihrer Landesdatenschutzaufsichtsbehörde abzustimmen sowie entsprechend an die Bildungsträger zu kommunizieren. Bei letzterem helfen wir gerne im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Falsch verstandener Datenschutz führt dazu, dass Familien ein Teil des visuellen Gedächtnisses der Kita- und Schulzeit verloren geht, dass schon zu Beginn eines Kita- oder Schuljahres Unmut und Missstimmung aufkeimt, Fotografen Aufträge verlieren, wodurch auch dem Staat Steuereinnahmen entgehen und die Politikverdrossenheit und Anti-EU-Stimmung zunehmen, wodurch zumindest die etablierten Parteien Wählerstimmen verlieren.
Rechtliche Hintergrundinformationen nebst Hinweisen auf Stellungnahmen von Datenschutzaufsichtsbehörden können Sie der Anlage entnehmen.
Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Stellungnahme im Interesse der Kindergartenkinder, Schülerinnen und Schüler nebst Eltern sowie aller Bürger und Fotografen berücksichtigen würden. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Photoindustrie-Verband e.V.
Christian Müller-Rieker
Geschäftsführer
Unterstützende Verbände
Der Photoindustrie-Verband (PIV) mit Sitz in Frankfurt am Main ist die zentrale Interessenvertretung für Unternehmen, die mit ihren Produkten und Services im Markt für Foto, Video, Imaging und Bildkommunikation tätig sind. Der Verband steht ganzheitlich für das Thema „Bild“ und sieht sich als Impulsgeber für die Weiterentwicklung der gesamten Branche auf nationaler und internationaler Ebene. Seit 1950 ist der Verband ideeller Träger der photokina, Weltleitmesse für Imaging, in Köln.
CV - Centralverband Deutscher Berufsfotografen
1904 gegründet, ist der CV noch heute das älteste, wichtigste und mitgliedsstärkste Organ, um die im Handwerk organisierten Betriebe auf wirtschaftlicher und politischer Ebene zu vertreten. Der CV steht seinen Mitgliedern bei rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und berufsspezifischen Fragen zur Seite und ist maßgeblich daran beteiligt das Berufsbild des Fotografenhandwerks sowie seine Ausbildungs- und Prüfungsinhalte zu gestalten.
Der bund professioneller portraitfotografen (bpp) ist die mitgliederstärkste Berufsinitiative professioneller, kommerzieller Portrait- und Peoplefotografen in Deutschland und eine der größten in Europa. Die Initiative blickt auf 30 Jahre starke Netzwerkarbeit zurück, auf 30 Jahre kollegiales Miteinander, Weiterbildung und berufliche Qualifizierung. Im Mittelpunkt steht seit jeher die Förderung von Qualität und wirtschaftlicher Entwicklung in der professionellen Portrait- und Peoplefotografie. Vor allem aber schafft der bpp eine Plattform für den ehrlichen Meinungsaustausch unter Berufsfotografen.
Stellungnahmen des Photoindustrie-Verband (PIV) zum Fotografierverbot in Kitas und an Schulen mit Blick auf das Datenschutzrecht
Autor: David Seiler, Rechtsanwalt, Datenschutzbeauftragter, Lehrbeauftragter Datenschutz- und IT-Security-Law
Dieser Start in einen neuen Lebensabschnitt wird in der Regel von einer feierlichen Zeremonie bekleidet, die Anlass für schöne Fotos der lieben Kleinen ist. Doch in mehreren Schulen wird der Wunsch vieler Eltern und Familienangehörigen zur Erinnerung – auch für die Kinder – im Bild festzuhalten, durch Fotografierverbote zunichtegemacht. Wie z.B. WDR, die Welt und BILD berichten, werden die Fotografierverbote mit der Angst vor der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (kurz DSGVO) begründet. BILD titelte am 18.08.2019 „Mutter sauer über Datenschutz-Irrsinn!“. Der WDR titelt: Datenschutz: Fotoverbot bei der Einschulung?
Datenschutz erfordert kein Fotografierverbot
Das Datenschutzrecht, die DSGVO fordert keine Fotoverbote an Schulen und Kindergärten. Für private Erinnerungszwecke darf aus datenschutzrechtlicher Sicht weiterhin wie bisher fotografiert werden, solange nicht die Veröffentlichung der Fotos, z.B. in sozialen Netzwerken, beabsichtigt ist bzw. erfolgt und solange nicht aufgrund des Hausrechts ein Fotografierverbot verhängt wurde.
Begründung
Schulen und Kitas dürfen aufgrund ihres Hausrechts Fotoverbote verhängen, wenn sie z.B. keine Störungen durch Blitze bei Schultheateraufführungen bzw. bei Einschulungs-veranstaltungen möchten oder um die Bildnisrechte von Kindern vor einer Verbreitung in sozialen Medien zu schützen. Aber das Datenschutzrecht fordert das nicht, wie auch Datenschutzaufsichtsbehörden bestätigt haben. Denn das Datenschutzrecht gilt nicht für private Datenverarbeitungen und damit auch nicht für die privaten Erinnerungsfotos von der Einschulung der eigenen Kinder, und zwar auch dann nicht, wenn andere Kinder oder sonstige Personen mit auf den Fotos abgebildet sind.
Haushaltsausnahme
Die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sieht in Art. 2 eine sogenannte Haushaltsausnahme vor, wonach rein private Datenverarbeitung nicht in den Anwendungsbereich des Datenschutzrechts fällt. Es liegt also schlicht kein „Datenschutz-Irrsinn“ vor, sondern entweder unzureichende Kenntnis des Datenschutzrechts oder eine unzutreffende Begründung des Fotografierverbotes.
Es gab Schulen, die versucht haben, von allen Eltern eine Einwilligung in das Fotografieren der Einschulung zu erhalten und weil einzelne nicht zugestimmt haben, dann ein Fotografierverbot verhängt haben. Da aber für private Zwecke das Datenschutzrecht nicht gilt, muss auch keine Einwilligung eingeholt werden und eine fehlende Einwilligung ist kein Grund, ein generelles Fotografierverbot auszusprechen.
Der Leiter der Landesdatenschutzaufsicht Baden-Württemberg, Stefan Brink, brachte es auf Twitter am 18.08.2019 auf den Punkt:
„Fotoverbote an Schulen und Kindergärten? Nicht wegen der DSGVO! Zu privaten/persönlichen Zwecken darf jeder jeden fotografieren – erst bei der Veröffentlichung gibt es Grenzen.“
Brink sieht es als Eingriff in die Freiheit der Bürger, zu privaten Zwecken Erinnerungsfotos aufzunehmen, gegen die nur Aufklärung helfe. Und genau dazu soll die vorliegende Stellungnahme beitragen.
Der Landesdatenschutzbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Harald von Bose, äußert sich gegenüber der dpa:
„Wenn die Fotos von den eigenen Kindern im familiären Bereich bleiben, kann man diese bedenkenlos machen. Das war so und ist so. Diese schöne Praxis macht der Datenschutz nicht kaputt.“
Von Bose hat hierzu einen Vermerk mit weitergehenden Informationen veröffentlicht.
Dabei geht er auf die Handreichung „Datenschutz an Schulen“ des Bildungsministeriums in Sachsen-Anhalt ein, welche als unbeliebte Möglichkeit Fotoverbote vorsieht, aber als Alternative die Bitte nicht bei der Veranstaltung selbst zu fotografieren empfiehlt, sondern erst bei einem gesonderten anschließenden Fototermin, bei den dann die Personen, die nicht fotografiert werden wollen, fernbleiben können und die anderen eine faktische Einwilligung erteilen. Dem stellt die Datenschutzaufsicht die Ausnahme des Datenschutzrechts für private Datenverarbeitung entgegen, wonach sich keine Notwendigkeit für ein Fotografierverbot ergibt.
Kürzlich hat das Verwaltungsgericht Koblenz entschieden (Urteil vom 06.09.2019, Az. 5 K 101/19. KO) dass ein Lehrer, der sich zusammen mit seiner Klasse fotografieren lies, keinen Anspruch auf Unterlassung des Abdrucks des Fotos in einem Jahrbuch geltend machen kann. Da es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, bedarf es auch keiner Zustimmung, da ein allgemeines gesellschaftliches Interesse von jedenfalls lokaler gesellschaftlicher Bedeutung für Angehörige der Schule gibt. Das Gericht erkennt also ein berechtigtes Interesse der Schulangehörigen (Schüler und Eltern) an Fotos aus dem Schulleben an. Der in der Entscheidung angeführte § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kommt über die Interessenabwägung des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO nach wie vor zur Anwendung.
Anwendungsbereich der DSGVO
Das Fotografieren unterliegt dann dem Datenschutzrecht, wenn die Fotos nicht mehr nur rein privat verwendet werden, also z.B. wenn sie öffentlich im Internet zugänglich gemacht werden. Dann stellt schon das Fotografieren, erstrecht aber die Veröffentlichung der Fotos eine Datenverarbeitung dar, die nur dann rechtlich zulässig ist, wenn eine Rechtsgrundlage dafür vorhanden ist. Als Rechtsgrundlagen kommen neben Einwilligung und Vertragserfüllung auch berechtigte Interessen in Betracht. Die Rechtsgrundlage „berechtigte Interessen“ erfordert immer die Abwägung der Interessen beider Seiten, wobei die Interessen von Kindern besonders geschützt sind und entsprechend schwer in der Waagschale sind.
Facebook-Posting als datenschutzrechtliches Problem
Erst dann, wenn die Fotos veröffentlicht werden, kann das Datenschutzrecht eingreifen. Häufigster Anwendungsfall dürfte heutzutage das Hochladen von Fotos in soziale Netzwerke sein. Brink stellt in einer FAQ „Fotografieren und Datenschutz“ klar, dass durch Nutzername und Passwort geschützte Gruppen noch unter die Haushaltsausnahmen fallen können. Darunter fällt z.B. eine nur den Familienangehörigen zugängliche Whats-App-Gruppe.
Es lässt sich folgendes Ergebnis für verschiedene Fotografiersituationen zusammenfassen:
1.) Fotografieren durch Eltern/Familie
Das Datenschutzrecht schränkt das Fotografieren für rein private, familieninterne Zwecke nicht ein. Erst bei Internetveröffentlichungen, die einem weiteren Kreis als der Familien zugänglich sind, bedarf es der Einwilligung der Eltern (der anderen abgebildeten Kinder).
2.) Fotografieren durch / für Schule
Die Schule benötigt eine Rechtsgrundlage. Praktisch gesehen kommen hier in begrenztem Maße das berechtigte Interesse an Öffentlichkeitsarbeit in Betracht, wobei dies jedoch durch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSGVO für Behörden gesperrt ist. In Betracht kommt hier jedoch der Einstieg über § 3 BDSG, sofern die Öffentlichkeitsarbeit zur gesetzlichen Aufgabenerfüllung gehört. Alternativ steht jedoch auch der Weg über eine Einwilligungserklärung offen, wobei diese nicht pauschal im Vorhinein gegeben werden kann, sondern immer nur für konkrete Fotos und konkrete Veröffentlichungszwecke.
3.) Fotografieren durch Presse
Die Presse kann sich nicht unmittelbar auf Art. 85 DSGVO berufen, der einen Umsetzungsauftrag an den Gesetzgeber zum Ausgleich von Datenschutzrecht und Meinungs- bzw. Pressefreiheit beinhaltet. Der Bundesgesetzgeber hat hierzu einen Prüfauftrag des Bundesrats erhalten. Die Landesgesetzgeber haben jedoch teils im Landesdatenschutzrecht, teils in den Pressegesetzen der Länder entsprechende Regelungen geschaffen.
4.) Fotografieren durch Profifotografen
Profifotografen bedürfen einer datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage, um Kinder fotografieren zu dürfen. Hier kommen eine Einwilligung der Eltern, Art. 6 Abs. 1a) DSGVO oder ein Vertrag, z.B. Fotoauftrag (Art. 6 Abs. 1b) DSGVO) in Betracht.
Empfehlung eines gestuften Vorgehens
Aus dem berechtigten und verbreiteten Interessen der Eltern und Familienangehörigen an privaten Erinnerungsfotos und den Stellungnahmen der Landesdatenschutzbehörden lässt sich folgende Empfehlung ableiten: Die Kita oder Schule kann ohne gegen Datenschutz zu verstoßen in Einladungen zu Veranstaltungen und bei den Veranstaltungen selbst kommunizieren, dass Fotografieren zu ausschließlich rein privaten Zwecken erlaubt und dann willkommen ist, wenn es ohne die Veranstaltung zu stören (nicht rumlaufen, nicht blitzen) erfolgt. Es ist jedoch datenschutzrechtlich verboten, sofern keine gesetzliche Erlaubnis oder Erlaubnis der abgebildeten Personen oder ihrer Erziehungsberechtigten oder ein sonstiger Rechtsgrund vorliegt, Fotos zu veröffentlichen, sie also insbesondere in sozialen Medien öffentlich zu machen. Wenn das Veröffentlichungsverbot verletzt wird und Beschwerden bei der Schule, / Kita eingehen, behält sich diese vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und die Interessen der Schüler, Lehrer und sonstigen Personen durch ein Fotografierverbot zu schützen.
Im Falle eines auf das Hausrecht geschützten Fotografierverbots kann dann als alternative Ausweichlösung eine private Fotogelegenheit nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung angeboten werden. Die Schüler, die ein Klassenfoto vom Schulbeginn haben wollen, können sich dann z.B. nach der Einschulungsfeier auf dem Schulhof oder in der Aula gruppenweise aufstellen und fotografieren lassen.
David Seiler, Cottbus den 04.11.2019 für den PIV, www.ds-law.eu
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